Butterwegge: Pandemie begünstigt Reiche und hängt Arme weiter ab

epd-Landesdienst West, Nr. 115 | 18.06.2021

Hannover, Köln (epd). Aus Sicht des Sozialwissenschaftlers Christoph Butterwegge hat sich die Schere zwischen Arm und Reich während der Pandemie weiter geöffnet. „Die Ungleichheit ist gewachsen. Die ganz Reichen sind noch reicher geworden“, sagte der Kölner Armutsforscher am Donnerstag während einer Diskussion zum Thema „Das Soziale neu denken“. 

An der Debatte im Rahmen des digitalen Kongresses zum Thema „Der Sozialstaat von Morgen“ beteiligte sich auch die evangelische Regionalbischöfin des Sprengels Hannovers, Petra Bahr. Sie betonte die Bedeutung fairer Bildungschancen im Kampf gegen soziale Ungleichheit.

Butterwege erklärte, dass das Vermögen von Dieter Schwarz, Inhaber der Discounterketten Lidl und Kaufland, während der Pandemie um eine hohe Milliardensumme angewachsen sei. Dagegen seien viele Gering- und Normalverdiener durch das Kurzarbeitergeld unter die Armutsgefährdungsgrenze gerutscht.

„Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten“, sagte Butterwegge. Die Jobcenter sollten Sanktionen gegenüber Leistungsempfängern auch über die Pandemie hinaus aussetzen, indem sie etwa auf die Vermögensprüfung weiter verzichten und die Angemessenheit der aktuellen Wohnung weiter voraussetzen. Außerdem forderte der Sozialwissenschaftler eine solidarische Bürgerversicherung, in die alle einzahlten. Butterwegge unterstrich, dass das zurzeit etwa für Beamte, Abgeordnete und Freiberufler nicht der Fall sei. Auch Kapitaleinkünfte, Mieten und Zinsen sollten mit Sozialabgaben belegt werden.

Bildung ist laut Petra Bahr der Schlüssel im Kampf gegen Armut. Als Mitglied des Deutschen Ethikrates widmet sich die Regionalbischöfin schwerpunktmäßig den Themen gesellschaftlicher Zusammenhalt und Teilhabe. „Wir brauchen dringend eine neue schul- und bildungspolitische Debatte“, sagte die Theologin. Durch Lockdown und Homeschooling hätten viele Kinder und Jugendliche den Anschluss verpasst. Die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland sei das Ergebnis eines „schulpolitischen Desasters“ und berge großen gesellschaftlichen Sprengstoff. Bahr forderte ein Bildungssystem, in dem sich alle Kinder angenommen und gewollt fühlten, unabhängig von der Muttersprache oder vom Einkommen der Eltern.

Videobeiträge zum Thema:

Familienarmut: Kindergrundsicherung als Alternative!?

Prof. Butterwegge: „Ungleichheit ist die Mutter aller politischen Probleme!“

 

 

Quelle: Evangelischer Pressedienst (epd) West 

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des epd-West